REZA MALEK: „MIT WERBESLOGANBULLSHIT KOMMT MAN HIER NICHT WEIT“
Social Media Advertising
Was läuft eigentlich gerade im Social Media Advertising? Wer wirbt wie und mit welchen Zielen? 4Talents-Beraterin Annika Urbat musste nicht lange überlegen, wen sie zu den Entwicklungen im Paid Social befragt: Anfang Januar ist Reza Malek von Düsseldorf in die 4Talents-Nachbarschaft gezogen, um das Ruder bei der Hamburger Agentur uniquedigital (heute Syzygy MEDIA) zu übernehmen. Ein Besuch am Neuen Wall 10.
Es sind schöne und alte Mauern, in denen Reza Malek nun arbeitet. Dort, wo 1915 die Gold- und Silberschmiede der Juweliere Brahmfeld & Gutruf ihr Kontorhaus, das Gutruf Haus errichteten, und wo heute Europas größter Apple Store beheimatet ist, sitzt, im linken Obergeschoss, uniquedigital. Mit Blick auf das Rathaus und die Binnenalster widmen sich hier 70 Mitarbeiter dem digitalen Marketing und haben seit vier Wochen einen neuen Kapitän an Bord, um den, so wird in der Branche geflüstert, Marco Seiler, CEO der SYZYGY Gruppe, der uniquedigital angehört, hart gekämpft hat. Tatsächlich hat Reza Malek Neo@Ogilvy nach fünf Jahren den Rücken gekehrt, um nach dem Abgang von Thomas Kabke-Sommer das Ruder zu übernehmen.
4Talents: Du* bist in Hamburg aufgewachsen. Hing die Entscheidung für uniquedigital auch damit zusammen?
Reza Malek: Tatsächlich haben mir Freunde, Bekannte und Geschäftspartner auf allen Kanälen zu meiner Rückkehr nach Hamburg gratuliert. Dabei habe ich mich vor allem über meinen neuen Job bei unique gefreut. Dass der in Hamburg ist, ist lediglich das Sahnehäubchen. Ich wäre auch zu uniquedigital gegangen, wenn die Agentur in Köln sitzen würde.
4Talents: Wie geht es Dir nach den ersten vier Wochen im neuen Job?
Reza Malek: Ich fühle mich sehr wohl. Hier arbeiten tolle Menschen und ich wurde mit großer Freundlichkeit empfangen. Gleichzeitig arbeitet es ununterbrochen in meinem Kopf und ich liege nachts oft wach. Meine Gedanken rasen, Ideen sprießen und ich muss die vielen neuen Eindrücke verarbeiten. Ich bin bereits so tief drinnen, dass ich manchmal denke, dass ich nicht erst drei Wochen, sondern schon drei Jahre hier bin. Es geht mir also fantastisch!
Ich spreche nicht von sozialen Medien, sondern von sozialen Plattformen
4Talents: Häufig sprechen wir mit Kandidaten über den ersten Tag im neuen Job. Es beschäftigt sie, wie man ihn am besten gestaltet, worauf man achten sollte etc. Wie war Dein erster Tag bei uniquedigital?
Reza Malek: Ich habe vorher auch überlegt wie ich am besten vorgehe. „Guten Tag, ich bin Reza Malek, der neue Chef“, klingt ja nicht besonders originell. Tatsächlich kannte ich einige Mitarbeiter bereits, das hat es mir etwas leichter gemacht. Ich habe einfach alle in den Konferenzraum gebeten und mich vorgestellt. Ab da weiß ich nicht mehr so genau, was alles passiert ist – ich habe mir alles angeschaut, mit so vielen Menschen gesprochen und mich einfach gefreut, da zu sein. Mein Ziel ist es, nach spätestens sechs Wochen mit jedem Mitarbeiter persönlich gesprochen zu haben. Daher sitze ich so gut wie nie in dem Büro, das ich bekommen habe. Ich ziehe von Team zu Team, setze mich dazu und höre zu. Ich möchte erfahren wie hier gearbeitet wird, was Freude macht, was weniger und wie die Dynamik ist.
4Talents: Du kommst aus Hamburg und liebst diese Stadt. Hat der Standort auch Vorteile für uniquedigital?
Reza Malek: Ja, denn Unternehmen wie Facebook, Google und viele Medienhäuser haben ihre Büros in der Nähe. Wir müssen also quasi nur über die Straße gehen, um miteinander zu sprechen. Das ist zwar kein Wettbewerbsvorteil aber ganz sicher ein Standortvorteil.
Social Media Marketing und die Bedeutung für Unternehmen
4Talents: Ist Social Media Advertising dann häufig ein Thema?
Reza Malek: Unbedingt. Social Media ist insgesamt und auch bei uniquedigital ein signifikant wachsender Bereich.
4Talents: Welches sind die Herausforderungen für Unternehmen, um erfolgreich in sozialen Medien zu werben?
Reza Malek: Zunächst spreche ich nicht von sozialen Medien. Facebook, Twitter und Konsorten sind nach meinem Verständnis soziale Plattformen, auf denen Menschen Inhalte bereitstellen und sich austauschen können. Die Nutzer verhalten sich ungezwungen, kommunizieren wie im ‚echten’ Leben und schaffen Marken damit die Möglichkeit, relevante Zielgruppen dort zu erreichen, wo sie über Themen sprechen, mit denen das Unternehmen assoziiert ist – oder assoziiert werden möchte. Mit Werbesloganbullshit kommt man hier nicht weit. Wenn es um gute Werbung geht, bin ich ein Freund davon, die Sprache der Zielgruppe und nicht die des Brandmanagers zu sprechen – das ist auf sozialen Plattformen besonders wichtig, da die Authentizität einer Werbebotschaft direkt diskutiert wird. Daher reicht es meiner Ansicht nach nicht, z.B. einfach nur den TV-Spot oder das Printmotiv zu adaptieren und auf soziale Plattformen zu stellen. Es bedarf anderer und inhaltlich angepasster Formate. Und: Für manche Unternehmen ist Social Media Advertising schlicht ungeeignet. Eine Privatbank ist sicherlich mit einer exklusiven Direktmarketingkampagne in der Regel besser beraten.
Wir wollen nicht länger in Formaten denken
4Talents: Was muss eine Agentur tun, damit Unternehmen erfolgreich in sozialen Medien werben?
Reza Malek: Tatsächlich gibt es viele Anfragen von Kunden, die gerne Werbung auf sozialen Plattformen schalten möchten. Dann haken wir nach und suchen den Dialog, um herauszufinden, was der Kunde eigentlich erreichen möchte. Idealerweise geht es immer darum, sich im Bereich Online Marketing bestens aufzustellen und Social Media Advertising kann, muss aber nicht zwingend ein Teil davon sein. Wenn die Entscheidung getroffen wird, das Werbung auf sozialen Plattformen sinnvoll ist, müssen wir erst einmal herausfinden wo, wann und wie wir die relevante Zielgruppe dann auch tatsächlich erreichen.
4Talents: Dafür gibt es mittlerweile spezialisierte Mitarbeiter?
Reza Malek: Richtig. Bei uniquedigital beschäftigen sich vier Mitarbeiter ausschließlich mit Werbung auf sozialen Plattformen sowie einige Aushilfskräfte. Sie verfolgen nicht nur Entwicklungen und Trends auf Facebook und Twitter, sondern haben auch im Blick, was bei instagram oder snapchat läuft. Parallel sind sie Experten im Umgang mit allen Tools, um die Werbung in der richtigen Zielgruppe exakt auszusteuern. Vor drei Jahren hätte ich noch behauptet, dass sich auf diese Weise nur eine relativ junge Zielgruppe ansprechen lässt. Mittlerweile lässt sich hier die breite Masse erreichen und man kann vor allem auf Facebook sehr gut segmentieren.
4Talents: Was müssen Mitarbeiter mitbringen, um erfolgreich im Bereich Social Media zu arbeiten?
Reza Malek: Es klingt vielleicht banal, aber als aller erstes sollten sie selbst auf sozialen Plattformen aktiv sein. Wir bekommen tatsächlich Bewerbungen von Menschen, die keinen einzigen Account haben. Ich denke nicht, dass man Kunden gut beraten kann, wenn man das ‚Leben’ dort nicht kennt. Wer in diesem Bereich arbeiten möchte, der muss alle relevanten Kanäle kennen und bewerten können, welche Marken sich wo am besten inszenieren lassen. Außerdem ist Kommunikationsstärke wichtig. Nicht nur, dass man gerne mit anderen in Dialog tritt, sondern auch ganz schlicht die Fähigkeit, sich ordentlich auszudrücken. Hinzu kommt Empathie, die Fähigkeit, sich in Menschen hinein zu fühlen und ein Gefühl für Marken, Trends und die Bedürfnisse von Zielgruppen. Interesse an neuen Technologien ist ebenfalls wichtig, um sich schnell in die vielen und sich ständig erweiternden Tools aller Plattformen einarbeiten zu können. Zu guter Letzt ist Erfahrung auf Agenturseite immer von Vorteil.
Ich habe als gefühlt erster Mensch das Buch Momentum von Holger Jung und Jean-Remy von Matt gelesen
4Talents: Die Möglichkeiten für den Kunden werden immer komplexer und es erfordert die Produktion vieler unterschiedlicher Strategien und Formate. Wie wichtig ist dabei der Dialog zwischen all jenen, die einen Kunden beraten?
Reza Malek: Das ist ein ganz wesentlicher Punkt. Mit der einen oder anderen Kreativagentur stimmen wir uns bereits ab. Die Realität sieht aber meistens anders aus – häufig verhindern Eitelkeiten auf beiden Seiten eine sinnvolle Zusammenarbeit. Es greift das Klischee vom Kreativen, der sich als großen Master einer Marke begreift und vom Medienprofi, der genau weiß, welcher Kanal der richtige ist. Dieses Silodenken schadet letztendlich dem Werbetreibenden. Ich denke, dass Kreation und Media Hand in Hand gehen müssen, um das bestmögliche Ergebnis für den Kunden zu erreichen. Viele Kunden möchten das nicht oder fordern es nicht ein. Auch hier wird noch zu oft in Silos gedacht, anstatt alle Kanäle als Ganzes zu betrachten und daraus eine runde Sache zu machen. Wir wollen nicht länger in Formaten denken, die wir besonders gut beherrschen. Wer nur daran denkt, mit welcher Idee er den nächsten Löwen abgreift oder den größten Kickback kassiert, der hat das Kundeninteresse aus den Augen verloren. Das kann nicht sein. Das hört sich vielleicht idealistisch an, aber das ist bei uns in der Branche gerade ein wirklich wichtiges Thema. Als Teil von SYZYGY vereinen wir Kreativ-, Media- und Technikkompetenz und wollen das zu unserem und dem Vorteil unserer Kunden nutzen.
4Talents: Hast Du irgendwann einmal mit dem Gedanken gespielt, selbst in die Kreation zu gehen?
Reza Malek: Lacht. Ich habe als gefühlt erster Mensch das Buch Momentum von Holger Jung und Jean-Remy von Matt gelesen – in einer Nacht hatte ich es durch. Werbung und die Inszenierung von Marken hat mich schon als sehr junger Mensch fasziniert. Ich hatte immer sehr genaue Vorstellungen von Produkten in meinem Kopf. Da ich leider nicht zeichnen kann, konnte ich sie nicht auf Papier bringen. Allerdings war ich parallel auch immer von neuen Technologien fasziniert, habe Computer zerlegt, programmiert und war begeistert als man mit anderen Menschen via BTX chatten konnte! Als ich schließlich ein Pflichtpraktikum absolvieren musste, habe ich mich sowohl bei Kreativ- als auch bei Onlineagenturen beworben. Von den Kreativen kamen nur Absagen und die Onlineagenturen haben sich gar nicht gemeldet. Das fand ich so doof, dass ich bei einer angerufen und die Sekretärin gefragt habe, warum sich niemand auf meine Bewerbung meldet. Sie hat mich erst einmal beruhigt und mir versprochen mit ihrem Chef zu sprechen. Der fand meine Initiative so gut, dass er mich schließlich selbst angerufen und mir ein Praktikum angeboten hat. So habe ich Sarik Weber kennengelernt und meine Karriere schließlich bei eprofessional begonnen.
Als dann irgendwann Ogilvy anklingelte, fühlte sich das natürlich gut an – die coolen Werber bieten mir einen Job an. Die Arbeit für eine so große Weltmarke und die Zusammenarbeit mit Kreativen hat mich sehr gereizt und so habe ich die letzten fünf Jahre lang gelernt, wie Werbeagenturen arbeiten. Wie Kreative ticken, wie sie arbeiten, welche Eitelkeiten sie besitzen und wie man damit umgeht – und wie wir enger zusammenrücken können. Wenn ich in dieser Zeit etwas richtiggemacht habe, dann das: Die Zusammenführung beider Kulturen und zu identifizieren, welche Menschen aus welcher Disziplin am besten gemeinsam erfolgreich für einen Kunden sind. Ogilvy war dafür eine fantastische Schule.
4Talents: Was ist der Kern der Marke Reza Malek?
Reza Malek: Interdisziplinär und nahbar. Ich bilde mir ein, dass ich gut outside the box denken kann und dass ich nahbarer bin als andere in vergleichbaren Positionen. Ich bin weder als Führungskraft noch als Geschäftsführer auf die Welt gekommen. Ich habe vor 15 Jahren als Praktikant angefangen und habe fast alles, was Menschen heute in Agenturen machen, selbst schon erledigt. Ich stecke ganz anders in Prozessen und in der Wirklichkeit meiner Mitarbeiter drin als Kollegen, die morgens aufgewacht und CEO geworden sind. Für mein Team ist das Segen und Fluch zugleich. Einerseits kann man mir einfach keinen Mist erzählen. Ich kann zum Beispiel ganz gut beurteilen wie lange etwas dauert oder ob eine Idee zu realisieren ist. Auf der anderen Seite sehe ich, was sie leisten und kenne ihre ‚Wehwehchen’.
Zum Kern gehört vielleicht noch Authentizität: Wer mich kennt, weiß, dass ich im Job nicht anders bin als im Privatleben.
*Selbstverständlich siezen wir unsere Interviewpartner eigentlich. Reza Malek ist jedoch nach eigener Aussage ein „Zwangsduzer“, weshalb 4Talents-Beraterin Annika Urbat einfach zurück geduzt hat.
Foto: Raimar von Wienskowski