„HAT SICH STETS BEMÜHT!“ – ZEUGNIS VS. REFERENZ
Referenzen in der Bewerbung
Was erzählen ehemalige Chefs, Kollegen oder Kunden über die Fähigkeiten eines Kandidaten? Immer häufiger fragen Unternehmen nach Referenzen, von denen sie sich konkretere Aussagen als in Arbeitszeugnissen erhoffen. Diese sind, laut einer Studie der Ernst-Abbe-Hochschule Jena, in der knapp 200 Zeugnisersteller und -auswerter befragt wurden, „fast durchweg schablonenhaft und inhaltsleer“. Wir wollten wissen, was unterscheidet ein Zeugnis von einer Referenz und worauf sollten Kandidaten bei der Bereitstellung von Referenzen achten? Wir haben Rechtsanwalt Christoph Curvers* aus Hamburg gefragt:
4Talents: Zusammengefasst kommt die Studie zu dem Ergebnis, dass Zeugnisse keinerlei Aussagekraft besitzen. Tatsächlich ist es Unternehmen kaum möglich abseits von Codes negative Aussagen über einen Arbeitnehmer zu treffen. Warum ist das so?
Christoph Curvers: Arbeitgebern steht prinzipiell ein weiter Ermessensspielraum bei der Beurteilung von Leistung und Führungsverhalten ausscheidender Mitarbeiter zu. Es steht – solange das Zeugnis insgesamt von Wohlwollen getragen wird – die Schulnotenskala von der Eins bis mindestens zur Vier offen, wobei Vergleichsmaßstab ein „durchschnittlich befähigter und vergleichbarer Arbeitnehmer des Unternehmens“ zu sein hat. Dieser Ermessenspielraum kann auch vom Arbeitsgericht nicht überprüft werden. Was aber überprüft wird, das sind die Tatsachen, auf die der Arbeitgeber seine Beurteilung stützt. Klagt der ausscheidende Mitarbeiter X gegen ein schlechtes Zeugnis, dann muss der Arbeitgeber vor Gericht in vollem Umfang darlegen und beweisen, dass X während seiner Tätigkeit im Unternehmen jede Latte gerissen und seine schlechte Note verdient hat.
Kleine und mittelständische Unternehmen verfügen häufig gar nicht über eine brauchbare Dokumentation solcher Leistungsdaten und können den geforderten Nachweis kaum erbringen. Die Kollegen als Zeugen zu laden ist auch keine Lösung: Wer haut schon gerne vor Gericht Ex-Kollegen in die Pfanne, noch dazu auf Anweisung des Chefs? Die Folgen für das Betriebsklima lägen auf der Hand. Daher findet Negatives heute nur noch dann Eingang ins Arbeitszeugnis, wenn das Unternehmen sich sonst einem Haftungsrisiko aussetzen würde: Einem diebischen Banker wird niemand Ehrlichkeit attestieren. Ansonsten aber hat der Arbeitgeber durch das Ausstellen schlechter Zeugnisse nichts zu gewinnen außer einem unerquicklichen Gerichtsverfahren. Daher bekommt in der Praxis jeder ein „Sehr gut“, der Chef hat seine Ruhe, und das Peter-Prinzip triumphiert.
Referenzen in der Bewerbung: gute Bewertungen nutzen
4Talents: Wir beobachten, dass Unternehmen mittlerweile weniger an Zeugnissen, sondern mehr an Referenzen interessiert sind. Was kann eine Referenz, was ein Zeugnis nicht kann?
Christoph Curvers: Auf ein Zeugnis habe ich einen Rechtsanspruch, auf eine Referenz nicht. Jedes Referenzschreiben beweist also, dass ich im Laufe meiner Karriere zumindest einen Menschen aufrichtig von mir überzeugt habe.
4Talents: Unternehmer A kennt den Chef von Unternehmen B, für den Kandidat C gearbeitet hat – dennoch darf B dem A keine Auskunft über C geben. Richtig?
Christoph Curvers: Jedenfalls nicht über das hinaus, was auch im Zeugnis steht oder hätte stehen dürfen – es muss wahr sein, und es muss wohlwollend sein. Wäre eine beurteilende Kommunikation über einen Kandidaten jenseits des Zeugnisinhaltes ohne dessen Einverständnis zulässig, dann liefen die Regeln zu Form und Inhalt von Arbeitszeugnissen leer.
4Talents: Wenn C den B autorisiert A Auskunft über ihn zu geben, dann geht das in Ordnung, richtig? Was, wenn B dem A erzählt, dass C die totale Pflaume ist?
Christoph Curvers: In der Tat verpflichtet seine Fürsorgepflicht den Arbeitgeber, auf Wunsch eines ehemaligen Mitarbeiters gegenüber Dritten Auskünfte zu erteilen, auf ausdrücklichen Wunsch auch über den Inhalt des Zeugnisses hinaus. Ob dabei auch Negatives zur Sprache kommt, wird der Kandidat aber nur in Ausnahmefällen erfahren. Daher rate ich in solchen Fällen ganz besonders dazu, den Ex-Chef um eine schriftliche Referenz zu bitten – so behalte ich als Kandidat nicht nur die Kontrolle über den Inhalt, sondern habe auch etwas Bleibendes in der Hand, das ich vielleicht auch im Dialog mit anderen interessanten Unternehmen einsetzen kann.
4Talents: Worauf sollten Kandidaten achten, wenn Sie ehemalige Chefs, Kollegen oder Kunden als Referenz angeben möchten – gibt es wichtige Punkte, die vorab besprochen werden sollten?
Christoph Curvers: Hier treten die rechtlichen hinter den praktischen Fragen zurück: Welche Schwerpunkte sollen gesetzt, welche Sprache gewählt werden – all das hängt in erster Linie davon ab, was ich mit der Referenz anstellen will, wem ich sie vorlegen möchte. „All Purpose“-Referenzschreiben sind dagegen oft zu rundgelutscht und verspielen so ihren Vorteil gegenüber einem klassischen Zeugnis.
*Christoph Curvers ist Rechtsanwalt in Hamburg. In der digitalen Wirtschaft ist die Beratung namhafter KMU sein täglich Brot, die Rundumbetreuung spannender Startups sein Leibgericht.