DU größer SIE – wie war das noch?
Oder: Warum siezen wir?
Welche Idee steckt hinter der Ansprache mit unterschiedlichen Personalpronomen
Unser geschätzter Kollege Robin hat sich in Zuge seiner täglichen Arbeit Gedanken zu einem allseits präsenten und keinesfalls unwichtigen Thema gemacht. Es geht um die Ansprache von (bis dato) unbekannten Personen im Bereich des Recrutings.
Explizit möchte er mit diesem Artikel aus seiner persönlichen Sicht auf eine gewisse Diskrepanz in den Erwartungen von Jung und Alt im Hinblick auf das DU vs. SIE aufmerksam machen. Da er selbst Teil der GEN Z ist, wird er in diesem Artikel die Sicht der jüngeren Generation vertreten, um ein Verständnis für deren Umgang mit den pronominalen Anredeformen zu schaffen.
Welche Idee steckt hinter der Ansprache auf zwei Ebenen? Die Geschichte der pronominalen Ansprache ist lang und hatte ihren Start in der Antike.
Grund für die unterschiedliche Ansprache von Personen war damals die Kenntlichmachung der unterschiedlichen Schichten, aus der die Akteure stammten. Die pronominale Anredeform diente der Herablassung und Distanziertheit höherer Schichten gegenüber einem niedrigeren Stand. Bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts existierte in Deutschland ein vierelementiges System, welches aus den Pronomen DU, IHR, ER und SIE bestand. Ende des 19. Jahrhunderts begab man sich auf die Zielgrade zu dem uns bekannten System der zweielementigen Aufspaltung in Form von DU und SIE.
In der heutigen Zeit
Im Privaten spielt die Frage der richtigen Ansprache nahezu keine Rolle mehr. In z.B Arbeiter- oder Studentenbewegungen, im Sportverein oder in der Disco hat sich das Duzen praktisch normalisiert. In Bereichen wie dem Recruiting und Bewerbungsprozessen im Allgemeinen besitzt das Thema jedoch nach wie vor eine zentrale Relevanz und Diskrepanz.
Ich stelle die These auf, dass das Siezen in heutiger Zeit zwei wesentlichen Interpretationen unterliegt. Der Definition der Befürworter, die in der Regel ein höheres Alter aufweisen und die der Gegner, die einer eher jüngeren Generation entspringen. Ich beziehe klar Stellung auf der Seite der zweiten Gruppe und möchte folgend darstellen, warum dies der Fall ist.
Ich habe absolutes Verständnis für die Generationen X und Y, die gerne auf das SIE beharren.
Für sie spiegelt diese Ansprache dieselbe Normalität wider, wie bei der jüngeren Generation das DU. Man könnte das SIE aber auch als Verdienst verstehen. Eine Person, die 40 Jahre hart geschuftet hat, hat zwangsläufig das Recht sich wenigstens bei der Ansprache „über“ eine Generation zu stellen, die bis auf Schule und Studium noch nicht viel zum Allgemeinwohl beigetragen hat.
Ich duze dich, weil ich das Gefühl habe, wir sind auf einer Wellenlänge
Nur leider ist die Generation Z derart anders gestrickt, dass meiner Meinung nach das Siezen in keinster Weise mit dem Wort Respekt in Verbindung gebracht werden kann. Für mich, als Teil der GEN Z, spiegelt das SIE eine Art der Fremdheit wider. Ich würde fast so weit gehen und behaupten, dass das DU in meinen Augen respektvoller ist als das SIE. Wenn ich jemanden sieze, dann tue ich dies, weil ich mich mit dieser Person weniger gut identifizieren kann. Oder weil der Kontakt mit dieser Person einer gewissen Unsicherheit vorausgeht. Siezen hat in meinen Augen nichts mit Respekt oder Anerkennung zu tun. Es schafft lediglich eine Distanziertheit zwischen zwei Parteien. Die Ansprache per DU bricht hingegen die Barriere der Fremdheit. Ich duze dich, weil ich das Gefühl habe, wir sind auf einer Wellenlänge. Wir haben eine Gleichheitswahrnehmung.
Übertrieben gesagt impliziert die DU-Ansprache ein Händeschütteln mit der Message, ich akzeptiere dich auf Augenhöhe. Ich denke hier liegt das große Dilemma, wir oder besser gesagt die unterschiedlichen Generationen interpretieren SIE und DU auf eine unterschiedliche Art und Weise.
Das DU schafft eine Verbindung und Vertrauen auf der persönlichen Ebene
Auf die Frage, welche Ansprache besser oder sagen wir korrekter ist, gibt es definitiv keine richtige Antwort, die einer gewissen Allgemeingültigkeit unterliegt. Es ist und bleibt eine Frage der situativen Gegebenheiten und sicher gibt es Momente, in denen auch das SIE angebracht sein kann.
Dennoch würde ich jeder Person, die in Bewerbungsprozessen oder Ansprachen von Kandidaten involviert ist, immer das DU empfehlen. Das DU schafft eine Verbindung, eine Art von Vertrauen auf der persönlichen Ebene. Nun spreche ich jemanden als Personalberater und als Mensch an. Die Kandidat: innen, mit denen ich per Du bin, zeigen sich stets aktiver im Prozess und sind deutlich verlässlicher, da sie nicht nur den Personalberater sehen, sondern auch den Menschen auf einer persönlicheren Ebene.
Besonders im Bewerbungsprozess sollte ein primäres Ziel jedes Unternehmens darin bestehen, die Verbindung zwischen den Kandidat: innen und dem Unternehmen selbst zu schaffen. Wer im ersten Job-Interview siezt, geht das Risiko ein, dass der Kandidat oder die Kandidatin sich als Fremdkörper im Kontrast zum Unternehmen wahrnehmen kann. Ich würde immer eine ausgelebt DU-Kultur empfehlen, um den Bewerber: innen bereits im ersten Austausch ein besonderes Gefühl der Zugehörigkeit zu vermitteln. Und wir alle wissen, wie wichtig der erste Eindruck ist.
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